Ischias: Pein im Bein | STERN.de

2022-08-27 02:10:21 By : Ms. Rachel Shao

Der dumpf bohrende Schmerz kommt vom Po und schießt ins Bein, manchmal gar bis in den Fuß: Ischias! Schon die Griechen der Antike kannten diese Pein, sie nannten sie Ischias, Hüftweh, weil die Qual scheinbar in Hüfte und Gesäß entsteht. In den allermeisten Fällen liegt das Problem aber in der Wirbelsäule: Oft ist ein Bandscheibenvorfall die Ursache. Der Schmerz ist keine Krankheit, sondern ein Zeichen, dass der Ischiasnerv eingeklemmt ist: Der hohe Druck reizt den Nerv oder quetscht ihn so, dass er Schmerzimpulse aussendet.

Etwa fünf bis zehn Prozent aller Menschen mit lädiertem unterem Rücken kennen das Problem zur Genüge, dessen korrekte medizinische Bezeichnung Ischialgie, Lumbo-Ischialgie oder radikuläre Kreuzschmerzen lautet. Ganz typisch ist der Schmerz, der vom Gesäß aus an der Rückseite des Beins entlang läuft, manchmal stechend und brennend, manchmal wie ein elektrischer Schock. Teile des Beins kribbeln oder fühlen sich wie eingeschlafen an. Wenn Sie husten oder niesen, verschlimmert sich der Schmerz noch.

Der Ischiasnerv ist der längste Nerv unseres Körpers. Seine Wurzeln treten im unteren Teil der Wirbelsäule aus dem Rückenmark heraus und bilden ein Geflecht. Daraus entsteht der Ischiasnerv. Er zieht sich über Gesäß und Hüfte an jedem Bein herunter und teilt sich über dem Knie in zwei kleinere Nerven auf: den Nervus peroneus und den Nervus tibialis. Deren Äste reichen bis in die Füße. Ohne diese Nerven würden wir in unseren Beinen sehr wenig fühlen und könnten einige Muskeln nicht mehr bewegen.

Drückt eine verrutschte Bandscheibe auf eine oder mehrere Wurzeln des Ischias, tun Gesäß und Bein bis in den Fuß weh - meist entlang des Hautstreifens, den der jeweilige Nervenstrang versorgt. Einige Menschen haben nur leichte Schmerzen, andere können sich kaum bewegen. In den allermeisten Fällen ist nur ein Bein betroffen. Die Bereiche können sich taub anfühlen oder kribbeln, als ob dort Ameisen entlang liefen. Manchmal sind die Muskeln so schwach, dass Sie sich nicht auf die Zehen stellen können.

Zum Glück verschwinden akute, also plötzlich auftretende Beschwerden am Ischias spätestens nach einigen Wochen wieder. Allerdings kann die Sache chronisch werden: Knapp ein Drittel aller Betroffenen hat auch nach einem Jahr noch Ischiasschmerzen. Gehen Sie deshalb am besten zum Arzt, wenn Sie wegen Ihres Ischiasnervs nur noch humpeln.

Wer raucht, wer besonders groß ist und wer unter viel Stress lebt, hat übrigens ein erhöhtes Risiko, eine akute Ischialgie zu bekommen. Gefährdet sind auch Menschen, die sich körperlich stark anstrengen oder die viel heben müssen und sich dabei beugen und drehen. Die meisten Betroffenen sind zwischen 45 und 64 Jahre alt, wenn sie der Schmerz überfällt.

Gehen Sie bitte sofort zum Arzt, wenn Sie unter einer Ischialgie leiden und wenn Sie gleichzeitig Probleme haben, Ihre Blase oder Ihren Darm zu kontrollieren. Denn dahinter kann ein schwerer Bandscheibenvorfall stecken. Die Bandscheibe lähmt dann unter anderem die Nervenwurzeln, die für die Schließmuskeln von Blase und Mastdarm zuständig sind. Mediziner sprechen in diesem Fall vom so genannten Cauda-equina-Syndrom. Bestätigt sich die Diagnose, wird Ihnen die Fachärztin eine Bandscheiben-Operation empfehlen, weil sonst Ihre Blase gelähmt bleiben kann.

Eine Ischialgie kann verschiedene Ursachen haben. In neun von zehn Fällen drückt eine verrutschte Bandscheibe auf die Wurzeln des Ischias. Die Folgen sind Schmerzen, Missempfindungen und Taubheitsgefühle in Bein und Fuß.

Ein Facharzt kann mit speziellen Methoden feststellen, ob Sie tatsächlich diese radikulären Kreuzschmerzen haben. Möglicherweise handelt es sich aber auch um pseudoradikuläre Schmerzen: Sie entstehen nicht durch einen gequetschten Ischiasnerv, sondern bei verspannten Muskeln oder einem schief stehenden Kreuzbeingelenk. Das fühlt sich ähnlich an wie eine Ischialgie, allerdings verteilen sich die Schmerzen anders über das Bein, und meist reicht die Pein nur bis zum Knie.

Die Symptome einer Ischialgie können aber auch durch andere Krankheiten ausgelöst werden. Ist der innere Teil der Wirbelsäule - der Rückenmarks-Kanal - zum Beispiel durch Verschleiß zu eng geworden, können die vielen Nerven irgendwo eingeklemmt werden. Passiert das an den Nervenwurzeln in der Gegend der Lenden, können die typischen Ischias-Schmerzen entstehen.

Auch wenn sich Wirbel gegeneinander verschieben, können sie den Ischiasnerv an der Stelle einquetschen, wo er die Wirbelsäule verlässt. Ganz selten verursachen Tumore an der Wirbelsäule die Pein. Ein Unfall, eine Operation oder Entzündungen können ebenfalls den Ischiasnerv oder seine Nervenwurzel beschädigen.

Ein ausführliches Gespräch mit Ihrem Arzt ist besonders wichtig. Beschreiben Sie ihm, welche Schmerzen, Missempfindungen oder Taubheitsgefühle Sie haben und wo sie auftreten. Sagen Sie ihm auch, wann und wie Ihre Beschwerden das erste Mal auftraten, und ob zum Beispiel Husten, bestimmte Bewegungen oder Haltungen den Schmerz beeinflussen. Haben Sie etwa einen Tumor oder eine andere schwere Krankheit, teilen Sie Ihrem Arzt das unbedingt mit.

Mit speziellen Untersuchungen kann die Orthopädin feststellen, ob Ihre Beschwerden tatsächlich vom Ischiasnerv ausgehen. Sie wird Sie bitten, in besonderen Positionen zu liegen oder zu sitzen. Die Ärztin wird anschließend Ihr Bein bewegen, ohne dass Sie mitmachen müssen. So findet sie heraus, wie gereizt der Nerv in einem bestimmen Bereich der Wirbelsäule ist.

Der Facharzt wird auf alle Fälle den so genannten Lasègue-Test mit Ihnen machen. Dafür legen Sie sich auf den Rücken, dann hebt der Arzt Ihr gestrecktes Bein langsam an, bis es nacheinander in zwei bestimmten Positionen war. Fühlen Sie dann Schmerzen genau in der Gegend, die schon vor der Untersuchung weh tat, lautet die Diagnose eindeutig: Ischialgie. Empfinden Sie nur Rückenschmerzen bei dieser Untersuchung, ist das Test-Ergebnis negativ und der Orthopädie wird nach weiteren Ursachen fahnden.

Möglicherweise sind Ihre Nerven schon so qequält, dass sie nicht mehr richtig ihren Dienst tun können. Um das herauszufinden, testet die Ärztin Ihre Reflexe: Mit dem Hämmerchen kann sie zum Beispiel den Kniesehnenreflex prüfen. Sie wird auch nachschauen, ob Ihre Nerven noch Berührungen Ihrer Haut wahrnehmen können. Dazu streicht sie einfach an beiden Beinen über die betroffenen Stellen.

Außerdem wird der Orthopäde Sie bitten, bestimmte Übungen zu machen, zum Beispiel auf den Hacken oder Zehen gehen, auf einem Bein stehen oder den großen Zeh anheben. Sind bestimmte Bewegungen nicht möglich, kann der Arzt genau sagen, welche Nervenwurzeln in den Wirbeln lädiert sind.

Sind Ihre Schmerzen sehr stark oder geht es Ihnen nach ein bis zwei Wochen noch nicht besser, kann die Ärztin weitere Checks vorschlagen. Mit so genannten bildgebenden Verfahren wie der Computer-Tomographie (CT) oder der Magnet-Resonanz-Tomographie (MRT) lässt sich ein Bandscheibenvorfall im Kreuz aufspüren.

Auf Röntgenbildern hingegen sind die Bandscheiben nicht zu sehen. Die Aufnahmen können nur zeigen, ob ein Tumor Ursache der Schmerzen ist. Das kann ein MRT allerdings genauso gut. Im Übrigen hat dieses Verfahren im Gegensatz zur Computer-Tomographie und zur Röntgenaufnahme keine Nebenwirkungen, da es mit Magnetismus arbeitet statt mit schädlichen Röntgenstrahlen.

Besteht der Verdacht, dass eine ernsthafte Verletzung oder ein Tumor hinter Ihren Beschwerden steckt, wird der Arzt Ihnen empfehlen, einen Spezialisten aufzusuchen und Ihnen eine Überweisung ausstellen.

Wenn das Gehen weh tut, schonen sich die meisten Menschen: Sie legen sich ins Bett oder aufs Sofa und hoffen auf Besserung. Das ist verständlich - medizinisch gesehen aber falsch: Längere Bettruhe macht nichts besser, stattdessen wird alles womöglich noch schlimmer.

Ihr Arzt wird Ihnen gegen die Schmerzen Tabletten verschreiben oder Spritzen setzen. Dann können Sie ohne Beschwerden aktiv bleiben und Ihrem gewohnten Tagesablauf nachgehen. Bewegung lässt den gequälten Ischiasnerv schneller wieder genesen als eine starre Schonhaltung. Natürlich dürfen Sie sich aber ab und an mal hinlegen, wenn der Schmerz zu stark wird.

Möglicherweise helfen Ihnen auch schon Tabletten mit dem Wirkstoff Paracetamol. Solche Pillen bekommen Sie ohne Rezept in der Apotheke. Darüber hinaus kann Ihr Arzt Ihnen so genannte nicht-steroidale Entzündungshemmer mit Wirkstoffen wie Diclofenac oder Ibuprofen verschreiben. Auch Kombi-Präparate, etwa Paracetamol mit beruhigendem Kodein, bekämpfen die Schmerzen. Hilft alles nichts, greift Ihre Ärztin eventuell auf Präparate mit Morphin zurück.

Manchmal zückt Ihr Arzt auch die Spritze: Dann injiziert er Ihnen ein örtliches Betäubungsmittel in den Wirbelkanal oder in die Nähe der betroffenen Nervenwurzeln. Er kann auch so genannte Glucocorticoide spritzen, das sind Hormone, die Entzündungen hemmen und den Schmerz so lindern können. Ist die Bandscheibe schon sehr verlagert, können Chirurgen die betroffene Bandscheibe ganz oder teilweise entfernen. Eine solche Operation ist aber glücklicherweise nur selten nötig.

Ob Hausmittel wie Massagen, Kälte- oder Wärmepackungen wirken, ist wissenschaftlich nicht belegt. Sicher ist aber: Finger weg von der Chirotherapie! Bei einer Ischialgie sollte der Arzt durch bestimmte Handgriffe nicht versuchen, verschobene oder verrenkte Wirbel wieder in ihre normale Lage zu bringen. Diese Methode ist bei Ischias-Schmerzen auf keinen Fall geeignet.

Auch wenn die Schmerzen Sie heftig quälen: Kurz hinlegen und ausruhen ist in Ordnung. Aber bleiben Sie mit Ihrer Ischialgie möglichst nicht im Bett. Bettruhe lindert zwar die Symptome, hilft Ihnen aber nicht wieder schneller auf die Beine. Im Gegenteil.

Um bei akuten Ischiasschmerzen in Bewegung zu bleiben, suchen Sie sich am besten Übungenaus, die Ihre Beschwerden nicht verschlimmern. Das kann zum Beispiel Wassergymnastik sein oder regelmäßiges Radeln auf einem Home-Trainer.

Wenn Ihre Schmerzen nachlassen, können Sie anfangen, regelmäßig Sport zu treiben. Ein gezieltes Trainingbaut Ihre Rückenmuskulatur auf und beugt Fehlhaltungen vor. Es gibt viele Fitness-Studios, die dafür spezielle Programme anbieten. Lassen Sie sich von Ihrem Arzt beraten, was Ihnen gut tun kann.

Falls sich Ihre Ischiasschmerzen trotz Therapie nach ein bis zwei Wochen immer noch nicht gebessert haben, sollten Sie wieder zum Arzt gehen. Möglicherweise brauchen Sie ein anderes Schmerzmittel oder die tatsächliche Ursache der Qual ist noch nicht gefunden.

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